Obwohl wir totale Bücherwürmer sind, haben wir bisher noch kein Buch ausführlicher auf unserem Blog vorgestellt. Damit beginnen wir endlich und zwar mit dem gerade neu erschienenen Buch von Sarah Wiener: “Zukunftsmenü – Warum wir die Welt nur mit Genuss retten können” (Amazon-Link)
Bestimmt habt ihr Sarah Wiener schon einmal im Fernsehen in einer ihrer Kochserien oder in einer Talkshow gesehen. Sie ist eine der bekanntesten Köchinnen Deutschlands, Autorin mehrerer Kochbücher und Besitzerin von drei Restaurants in Berlin.
Aufmerksam wurden wir auf ihr neues Buch durch den kulinarischen Newsletter der Schmauspost. Als wir das Buch dann im Buchladen entdeckten und durchblätterten, waren wir von der Vielfalt sehr angetan. Neugierig geworden, wurden wir direkt zum Spontankauf verleitet ;-).
Zukunftsmenü
Das neue Buch von Sarah Wiener ist kein Kochbuch, auch wenn ein paar Rezepte enthalten sind. Vielmehr dreht sich in dem Buch alles um die vielen Probleme rund um unsere heutigen Lebens- und Nahrungsmittel. Selbstironisch und persönlich schildert Sarah Wiener auch von ihren eigenen Irrungen und Erfahrungen rund um die Themen Kochen, Genuss und Ernährung.
Vielfältiges Themenmenü
Obwohl das Buch nicht besonders dick ist (224 Seiten), werden in “Zukunftsmenü” vielfältige Themen aufgegriffen. Sortiert ist diese bunte Themenvielfalt in fünf große Abschnitte:
- Politisch essen (die eigentlich nicht so Grüne Revolution und ihre gravierenden Folgen, die Rolle von Ernährung beim Klimawandel…)
- Achtsam essen (der massive Antiobiotikamissbrauch in der Massentierhaltung, Nahrungsmittelverschwendung…)
- Nachhaltig essen (das Plastikproblem, Warum nach Saison essen?…)
- Gesund essen ((k)ein Spaziergang durch den Deklarations-Dschungel, ein ABC der Zusatzstoffe…)
- Genussvoll essen (Kochen lernen, Geschmacksbildung…)
Durch das Buch ziehen sich Tischgespräche (Interviews) mit Experten, die differenzierte und spannende Einblicke in die verschiedenen Aspekte geben.
Vorwort
Besonders gelungen finden wir das Vorwort. Hier fasst Sarah Wiener die im Buch behandelten Themen schön zusammen. Sie fragt sich, warum es so viele stark verarbeitete Nahrungsmittelmittel gibt und diese auch noch freiwillig gegessen werden, obwohl sie Geschmackskatastrophen sind und viele bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten. Sie fragt sich, warum Fleisch von Tieren gegessen wird, die ihr Leben lang unendlichen Qualen in der Massentierhaltung ausgesetzt waren. Sie fragt, warum wir so wenig über die Herkunft unserer Lebensmittel wissen und wir bei unserem Einkauf Großkonzerne unterstützen, deren einziges Ziel die Profitmaxierung und nicht unsere Gesundheit ist. Sie macht klar, dass wir als Verbraucher selbst das Zepter in die Hand nehmen sollten, indem wir beispielsweise kleine Anbieter unterstützen, regional und saisonal einkaufen und uns sinnvoll beschränken (z. B. keinen Spargel im Winter). Sarah Wiener hält es für äußerst wichtig, dass wir lernen selbst zu kochen. Nur so können wir unabhängiger von der “Lebensmittelindustrie” werden – einer Industrie, die die Bezeichnung “Hersteller von Lebensmitteln” nicht verdient hat. Das Vorwort könnt ihr auch online in der Leseprobe beim Riemann Verlag nachlesen.
Sneak Peek
Die im Vorwort bereits angesprochenen Themen werden im Verlauf des Buches wieder aufgegriffen. Sarah Wiener zeigt an vielen Beispielen, wie stark verarbeitet und wenig natürlich Nahrungsmittel aus dem Supermarkt sind. Das fängt schon bei Gewürzen und Salz an. Konventionelle Gewürze sind oft mit Pestiziden belastet und werden mit Röntgenstrahlung länger haltbar gemacht werden. Normales Kochsalz wird vielfältigen chemischen Prozessen unterworfen und mit Zusatzstoffe angereichert, nur damit es trocken, rieselfähig und reinweiß bleibt. (Wir würden noch ergänzen, dass die zwangsweise Iodierung und Fluorierung auch nicht gut für unsere Gesundheit ist).
Vorbildlich vollwertig finden wir ihre Empfehlung zu Hause möglichst unbehandelte und unverarbeitete Lebensmittel zu verwenden: Sarah Wiener kauft beispielsweise Nüsse am liebsten in der Schale und mahlt Getreidekörner in einer kleinen Handgetreidemühle.
Sehr eindringlich fanden wir auch das Tischgespräch mit dem pensionierten Tierarzt Dr. Herrmann Focke. Seiner Meinung nach hat es seit Bestehen der Menschheit kein derartiges Maß an Tierquälerei gegeben wie in unserer Zeit! Dazu kommt noch der massive Einsatz von Antibiotika. 90% aller Antibiotika werden in der Nutztierhaltung eingesetzt und es entstehen immer mehr antiobiotikaresistente Keime. Solche Krankheitserreger, die im Notfall nicht mehr mit Antiobiotika behandelt werden können, sind eine große Gefahr für Mensch und Tier.
Kleine Kritik
Im Abschnitt “Gesund essen” finden wir das Interview mit dem Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Nikolai Worm leider enttäuschend. Es geht zu viel um Kalorien und es wird nicht zwischen raffinierten Kohlenhydraten (enthalten in Fabrikzuckern und Weißmehl bzw. Auszugsmehlen) und naturbelassenen Kohlenhydraten (enthalten z. B. in echten Vollkornprodukten und Obst) unterschieden, vielmehr wird alles in einem Topf geworfen. Ein Interview mit z. B. einem Prof. Dr. Claus Leitzmann oder Dr. med. Jürgen Birmanns wäre sicherlich fundierter gewesen. Sarah Wiener kommt nach dem enttäuschenden Interview zum Glück zu der, wie wir finden richtigen Erkenntnis, dass “[…] frische natürliche und unbehandelte Lebensmittel das Allergesündeste und das Allerbeste für uns und unsere Körper sind” (S.128).
Dafür sind die weiteren Tischgespräche im Abschnitt über gesunde Ernährung mit Dr. Andrea Fink-Kessler über Milch und das Interview mit Anne Markwardt von foodwatch äußerst informativ. Dabei wird zum einen verständlich, warum heutige Milch nicht mehr gesund sein kann. Zum anderen wird deutlich, dass die Nahrungsmittelindustrie versucht uns mit ihren Produkten zu täuschen und zu verführen. Mit Softdrinks und Süßigkeiten kann einfach mehr Geld verdient werden als mit Äpfeln und Tomaten. Schon Dr. Bruker empfahl in seinen Büchern “Essen und trinken Sie nichts, wofür Werbung gemacht wird”.
Fazit
“Zukunftsmenü” ist ein gelungenes Buch, das hervorragend in unsere Zeit passt. Viele Menschen erahnen, dass rund um unser Essen einiges falsch läuft. Sie wissen aber nicht, was genau und wie sie anfangen können, bessere Entscheidungen zu treffen. Hier hilft “Zukunftsmenü” weiter, indem es Probleme benennt, viele Anregungen gibt und Lösungsvorschläge macht. Alles ohne erhobenen Zeigefinger. Sarah Wiener schreibt: “Ich weigere mich ein System zu unterstützen, das unsere Kultur, unsere Ernährungsgrundlage und die Natur zerstört.” (S. 65) Trotz aller Kritik bleibt “Zukunftsmenü” dennoch angenehm positiv.
Sicherlich könnten die einzelnen Themen ausführlicher behandelt werden. Das Besondere an “Zukunftsmenü” ist aber gerade die Themenvielfalt und für ihre Kürze enthalten die Kapitel eine erstaunliche Menge an Informationen. Am Ende des Buches laden Literatur-, DVD- und Link-Listen zum Weiterinformieren ein.
“Zukunftsmenü” eignet sich gut als Geschenk. Nur die im Buch verstreuten Rezepte sind nicht immer unser Fall – zum einen nicht vegetarisch und zum anderen nicht vollwertig. In einigen Rezepten wird Haushaltszucker verwendet, der streng genommen auch zu den stark verarbeiteten Nahrungsmitteln zählt. Daher würden wir fürs “selber Kochen” das “Zukunftsmenü” in Kombination mit einem vollwertigen Kochbuch wie Vegetarische Verführungen (Amazon-Link) von Udo Einenkel verschenken :-).
Auch wenn wir uns mit vielen der Themen bereits beschäftigen, gab es im Buch noch einiges was uns noch nicht so bewusst war und zum Nachdenken anregte. Wir wurden in unserer Erkenntnis bestärkt: Wer die Welt retten und sich gesund ernähren will, für den führt kein Weg am selber Kochen mit naturbelassenen Zutaten vorbei :-).
Das Buch
Zukunftsmenü – Warum wir die Welt nur mit Genuss retten können (Amazon-Link)
ISBN: 978-3-570-50150-4
Verlag: Riemann
Eine Leseprobe findet ihr beim Riemann-Verlag.
Ulrich
Das Buch klingt echt interessant.
Dass Gewürze oft “versaut” sind durch Pestizide, hatte ich fast schon befürchtet – wo wird denn auch heute was kontrolliert beim Nahrungsmittelanbau und -import? Könnt ihr etwas genauer sagen, was an Supermarktsalz so schlimm ist? Soweit ich weiß, ist das Trennmittel ja meistens SiO2, also einfach Sand, und das Jod ist da drin, weil wir Deutschen da tendentiell einen Mangel haben (außer wir essen regelmässig Algen/Fisch und so).
Melanie und Sönke
Hallo Ulli,
herzlich willkommen auf unserem Blog!
Kritik am “Salz aus dem Supermarkt”, dem sogenannten Kochsalz, bezieht sich auf die Raffination, die Verwendung von Trennmitteln und das Zusetzen von Jod & Fluor.
Kochsalz aus dem Supermarkt wurde stark gereinigt und gebleicht. Ein solches Kochsalz enthält aus dem ursprünglichen Salz so gut wie ausschließlich Natriumchlorid. Meer- und Steinsalz bestehen zwar zu ca. 95 – 98% auch nur aus Natriumchlorid. Es gibt also nur eine geringe “Verunreinigung” gegenüber Kochsalz. Trotzdem ist dieser geringe Unterschied deutlich zu schmecken: Meer- und Steinsalze sind weniger salzig als Kochsalz. Immerhin handelt es sich bei den “Verunreinigungen” um angeblich über 80 Elemente. Auch wenn Salz generell nicht in großen Mengen verzehrt wird, ist Kochsalz nicht mehr in der Lage etwas zur Versorgung mit diversen Spurenelmente beizutragen.
Oft werden Jod- und Fluor-Verbindungen hinzugefügt, um potentielle Ernährungsmängel an diesen Stoffen auszugleichen. Allerdings gibt es viele kritische Stimmen zu dieser “Zwangsmedikamentierung”. Sogar Dr. Bruker schrieb ein Buch (“Vorsicht Fluor”) zu den Gefahren von Fluor. (Das Buch haben wir allerdings noch nicht gelesen.) Problematisch ist vermutlich die potentielle Überversorgung durch mittlerweile zu viel Jod und Fluor.
Außerdem ist im Kochsalz immer irgendein Trennmittel enthalten, das verhindert, dass das Salz klumpt. Das können recht harmlose Stoffe wie Calciumcarbonat oder Magnesiumcarbonat (E 504) sein. Es gibt allerdings auch andere bedenklichere Trennmittel. Insbesondere Aluminiumverbindungen (Aluminiumsilikate und Aluminiumhydroxid) werden kritisch betrachtet. Die Cyanid-Verbindungen (E 535, E 536, E 538) bleiben angeblich stabil, aber wer weiß… Aus gesundheitlichen Gründen erscheint es uns sinnvoll möglichst auf Zusatzstoffe zu verzichten, selbst wenn diese nicht verdaut und aufgenommen werden können. Bei einer gängigen Ernährung werden schließlich nicht nur durch Kochsalz welche gegessen…
Um die ganze Problematik ausführlicher und im Detail zu analysieren, lohnt es sich wahrscheinlich einen eigenen Artikel über Salz zu schreiben ;-).
Liebe Grüße
Clemens
Sarah Wiener war mit vielen Bio-Landwirten, Naturschützern und engagierten Imkern auch im Januar bei der Demo “Wir haben es satt”: http://www.flickr.com/photos/80493129@N08/sets/72157632553045082/ Ich schätze sie sehr, weil sie grundsätzliche Fragen stellt und auch unsere aktuelle “Konsumpraxis” in Frage stellt. Klar kommen da in diversen Diskussionsrunden dann Totschlagargumente wie “unrealisierbar” und “für die breite Massen nicht durchführbar”, aber genau da ist der Punkt. Wir müssen umdenken und “umhandeln”.
Bei den Bienen versucht gerade der Film “More than Honey” den Irrsinn den Menschen näher zu bringen, auch wenn er bei den Lösungsansätzen schwammig bleibt, ein sensibilisierender Einblick ins Thema.
Melanie
Hallo Clemens,
da geben wir dir voll recht. Jeder kann etwas tun: saisonal und lokal einkaufen, selbst Obst & Gemüse anbauen (geht auch auf der Fensterbank und dem Balkon) und generell Bioprodukte bevorzugen. Ein bisschen traurig ist es schon, dass konventioneller Anbau der “Normalzustand” bei uns ist.
Wir sind davon überzeugt, dass Bio-Anbau nachhaltiger ist. Die ganzen Kosten, die im konventionellen Anbau entstehen, wie massive Subventionen, intensiver Energieeinsatz (Erdöl für Maschinen, Spritzmittel- und Düngerherstellung), Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit, Wasserverschwendung, Verlust der Artenvielfalt durch Monokulturen, Umweltzerstörung durch Pestizide, Herbizide, Fungizide u. v. m. müssten eigentlich auch bedacht werden, wenn ökologischer und konventioneller Anbau miteinander verglichen werden. Momentan werden diese Kosten vielfach auf die Allgemeinheit abgewälzt. Da Erdöl als knappe Ressource weiter teurer werden wird, lohnt sich konventioneller Anbau bestimmt irgendwann nicht mehr. Dann müssen alle (wieder) auf eine kleinbäuerliche Bewirtschaftung umsteigen ;-). Wobei auch jetzt weltweit gesehen 70% aller Lebensmittel von Kleinbauern erzeugt werden.
Außerdem ist Welthunger nicht das Problem, dass zu wenig geerntet wird, sondern ein Verteilungs- und Verschwendungsproblem. Felix zu Löwenstein schreibt in seinem Buch “FOOD CRASH: Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“*, dass 50% der Lebensmittel weggeworfen werden oder verderben bis sie den Laden erreichen (Filmtipp zu diesem Thema: “Taste the Waste”*). Zudem werden riesigen Mengen Ernte zu “Bio”-Kraftstoffen verarbeitet. Tendenz steigend. Die immer größer werdende Fleischproduktion ist auch extrem ineffzienter in Bezug auf investierten Ressourcen pro Kalorie bzw. Portion.
“More than Honey”* haben wir im Kino gesehen und finden den Film sehr sehenswert, auch wenn Lösungsansätze leider schwammig bleiben.
Liebe Grüße